Gemeinsam Unterwegs - Das E von OB_RHAUSEN
Das Ruhrgebiet steht exemplarisch für eine deutsche Identität, die sich konstitutiv aus multiplen nationalen Zugehörigkeiten zusammensetzt. Multipel im Sinne einer Koexistenz, aber auch im Sinne der Verwebung. Zugehörigkeiten verflüssigen zunehmend und die Geschichte der Region wäre nie möglich gewesen, wenn nicht Zugezogene sie mit gemacht hätten. Doch die Geschichtsbücher, und auch die aktuelle Berichterstattung, wird allzu häufig von Anderen geschrieben. Wie kann man also Spuren hinterlassen als problematisierte Existenz Bundesdeutschland, das sich erst nach gut 50 Jahren großer und eigeninitiierter Migrationsgeschichte als Einwanderungsland erkennen will?
Fremdheit war immer schon eine Bedingung für Erkenntnis und Veränderung. Im Rahmen einer Fachdiskussion zum Thema der Repräsentation von MigrantInnen in der deutschen Presselandschaft an der Ruhr Uni Bochum wurde vermehrt Deutschland als beinahe utopistisches neues Modell der Vereinigten Staaten bezeichnet: multikulturell und -lingual sei das Land und behaupte daher so eine Art von transnationaler Ordnung. Aber, wenden andere ein, die Zugänge zu Räumen der Profilierung und Mitbestimmung, symbolisch oder ganz pragmatisch, seien nach wie vor extrem limitiert. Ob im Zusammenhang von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, sozialem Status oder fixierter Identitätserzählungen: Zugewanderte in Deutschland leiden nach wie vor unter einer strukturellen Benachteiligung.
Wir können aktuell beobachten, wie Ordnungen von Benachteiligung und Privileg entsteht. Und wir können auch erkennen, wie die Bildung identitärer Narrative beinah automatisch sich vollzieht: schon sind aktuell Zugewanderte in der Rolle des ewig Geflüchteten gefangen. Auch wenn diese Rolle oftmals von Aufmerksamkeit und Sorge geprägt ist: sie legt fest. Und sie erkennt den Benannten niemals als selbstverständlichen Teil der eigenen Umgebung an.
Hier setzen kitev ein mit ihrer informellen Wanderung des „E“ durch Oberhausen. Seit vielen Jahren schon leuchtet über Oberhausen ein Leuchtschriftzug, direkt gegenüber vom Hauptbahnhof: „Oberhausen – Wiege der Ruhrindustrie“. Oberhausen fehlt das leuchtende E, eine Lücke in der Selbstbenennung der Stadt. Womöglich aus dem Mangel der Notwendigkeit einer Selbstvergewisserung: bereits seit einigen Jahren leuchtet das „E“ nicht mehr bei Nacht.
Christoph Stark und Agnieszka Wnuzak sehen in der Lücke das Potential, neue Wege zu gehen: kurzerhand beschließen sie, die Neonleuchte gemeinsam mit neuangekommenen Jugendlichen zu reparieren. Und das zeitgleich zur Gründung von Bürgerforen und steigender Angst vor Überfremdung in der deutschen Öffentlichkeit. Seit einigen Monaten schon erproben die beiden dagegen kollaborative Arbeitsverfahren mit ihrer Gemeinschaftsküche: der Foodtruck Ellie firmiert als "Refugees’ Kitchen" dafür, dass „der einfachste Weg uns eigentlich nicht interessiert“, so Christoph Stark. „Wir wollen nicht an den Problemen bauen, sondern an Lösungen. Klar ist es schwieriger, zusammen zu arbeiten, zu sein, zu denken, wenn man keine Sprache teilt und sowieso ungleiche Vorrausetzungen hat aber für die zukünftige Gesellschaft, in der wir ja im Grunde jetzt schon leben, sind inklusive und empowernde Strukturen zentral.“
Und so scheint die Wanderung aktuell die Bewegungsform der Stunde. Auch das reparierte „E“ zieht als Sinnbild für einen neuen Blick auf sich selbst mit seinen Bauherren durch die Stadt. Über Parkplatzdächer, Aussichtspunkte, Flüchtlingsunterkünfte, erste eigene Wohnungen. Und spätestens in dieser Bewegung spricht es plötzlich über viel mehr als kollaborative Mängelbehebung: über Identifikation, Stolz und Zugehörigkeit und vergessene Orte in der eigenen Stadt. Es wird zur Kunst, „die ja immer ein bisschen mehr kann“, sagt Stark. Und dann zum Anlass, genau darüber zu sprechen. Über Kunst. Die sich nicht versteht als exklusives Spezialwissen für einen kleinen Ausschnitt der Gesellschaft, sondern als Teil einer sozialen Plastik, die jede/n TeilnehmerIn wertschätzt und involviert. Womit wir dann bei Beuys wären. Und auch bei den möglichen Fortgängen des Projekts. Da schwebt es kitev vor, den gesamten Schriftzug gemeinsam mit RegelschülerInnen aus dem örtlichen Berufskolleg zu renovieren, da das neue „E“ ja heller strahlen wird als die beinah historischen Buchstaben. Und das gegenüberliegende Hochhaus, das als Problemhaus in den Lokalzeitungen besprochen wird, könnte eigentlich auch dringend einen neuen Text gebrauchen. Köpfe zusammenstecken und los!
von Johanna-Yasirra Kluhs
(Dieser Text ist in der Publikation WITH! zum ersten Mal veröffentlicht worden. siehe PDF unten S. 30)
For years there has been a letter missing. On top of a building opposite of the Oberhausen main station,there is a text „OBERHAUSEN Wiege der Ruhrindustrie“, an i.e. cradle of the region’s industry. When the text is illuminated in the night, the letter E does not show as its light is out. As if the city had a problem of self-designation – or self-assurance.
Christoph Stark and Agnieszka Wnuczak have recently decided to fix the neon lights of the E with the local immigrant youth. They have been since months been trying out collaborative working methods while working with the Foodtruck Elli, or „Refugees’ Kitchen“. „The easiest route does not interest us“, says Christoph Stark. „For sure it is more difficult to work, be and think together, when there is no common language and when the preconditions are not equal. But in the future society, which we actually already live in, inclusive and empowering structures are central.“
Before getting returned to the text, the fixed E is being taken for a walk through the city. It is given a new self-understanding as the builders show it around and take the E with them to parking lots, viewpoints, reception centres and their first own flats. Latest here is becomes obvious how the project has been a matter of identification, pride, and belonging, as well as forgotten places in the city that are becoming their own.
لسنوات عدیدة کان هناك حرف مفقود. اعلی بناء مقابل محطة قطارات اوبرهاوزن الرئیسیة, هناك نص "Oberhausen, Wiege der " و الذی یعنی: اوبرهاوزن هي مهد الصناعة فی هذه المنطقة. عندما يضيء النص في الليل، لا يضيئ الحرف “E” كبقية الاحرف من هذا النص بسبب عطل في الكهرباء الموصولة لهذا الحرف. و کان المدینة لدیها مشکلة فی التنظیم الذاتی او الثقة بالنفس کمدینة.
Christoph Stark & Agnieszka wnuczak قرروا مؤخراً إصلاح الاضاءة الخاصة بالحرف "E" بالاستعانة بالشباب المهاجرین فی المدینة. لأشهر کانو یحاولون بالعمل المشترك, اثناء العمل ایضاً على شاحنة الطعام "Elli" او باسمها الاخر "مطبخ اللاجئین".
"الطریق الاسهل لحل هذه المشکله لا یثیر اهتمامنا" یقول کریستوف شتارك . "بالطبع لانه من الصعب العمل و التقکیر والتواجد مع بعض فی ظل عدم وجود لغة مشترکة للحوار و عند عدم تكافء فی الحالة الشخصیة لكل فرد.
و لاکن فی مجتمع المستقبل الذی نعيشی ضمنه حالیا يعتبر التكامل و التعاون البناء شیئ ضروری."
قبل العودة الى النص اعلى البناء ,تم اخذ الحرف "E" الذی تم اصلاحه فی نزهة حول المدینة.
لقد تم اعطائه مفهوم جدید عندما قام الذین شارکو فی اصلاح اضاءة الحرف, بعرض الحرف فی انحاء المدینة و فی شققهم الخاصة للمرة الاولی. و اخیرا یبدو من الواضع ان المشروع هو ایضا عبارة عن تعریف فخر و انتماء. بالضبط كالاماكن المنسية فی المدینة التي اصبحة جزء من السكان الجدد للمدینة.
Der Artikel vom 28.01.2017 in der Online-Ausgabe der WAZ hier zum Nachlesen.
Artikel im Mitost-Blog – Beyond the news: hier
WITH! Die Publikation zum Festival im September 2016.